Häufig waren meine Ausdauer und mein Wille, durchzuhalten, die entscheidenden Faktoren, um in wichtigen Rennen erfolgreich zu sein.
Wenn man sich dann dank des sogenannten Stehvermögens auf dem Siegerpodest über eine Medaille freuen darf, denkt man gerne an die, die einen auf dem Weg dorthin unterstützt haben.
Meine fünf Olympiasiege z.B. habe ich alle unter der Leitung von Joachim Franke gewonnen. Bis heute bin ich dem erfolgreichsten deutschen Eisschnelllauftrainer dankbar, dass er die besondere Gabe hatte, mich stets auf den Punkt topfit in Form zu bringen.
Apropos Stehvermögen: Das zeichnet mich nicht nur auf dem Eis, sondern auch im Kampf um Gerechtigkeit aus. Seit dem Jahr 2009 wehre ich mich nun bereits juristisch gegen das Fehlurteil der ISU und die daraus resultierende Unrechtssperre.
Es war der größte Betrug in der Geschichte der Sportgerichtsbarkeit, der einem Athleten jemals widerfahren ist. Das wusste ich bereits am Tag der Urteilsverkündung. Jenem Tag, an dem der Eisschnelllauf-Weltverband ISU mir die Olympischen Spiele 2010 in Vancouver gestohlen und mir im wahrsten Sinne des Wortes die Beine weggerissen hat. Als mein Manager Ralf Grengel mir am 2. Juli 2009 die Nachricht überbringt, dass ich für zwei Jahre gesperrt bin, klappe ich zusammen. Einfach so, meine Beine halten mich nicht mehr und ich breche im Garten meines Hauses in Diensdorf zusammen.
Verurteilt. Gesperrt. Geächtet. Öffentlich hingerichtet. Weswegen? Wegen nichts! Das weiß ICH ganz genau. So gut wie kein anderer Mensch auf der Welt. Und dennoch gibt es damals einige ISU-Funktionäre, -Mediziner und sogenannte Experten, die mich wegen (angeblichen) Dopings verurteilen. Aber nicht etwa, weil man in meinem Körper eine verbotene, leistungssteigernde Substanz gefunden hat. Sondern nur deshalb, weil man meint, ein von der Norm abweichender Wert in meinem Blut (Retikulozyten = junge rote Blutkörperchen) sei nur dadurch zu erklären, dass ich gedopt haben müsste. Als der internationale Sportgerichtshof CAS in seinem Urteil vom 25. November 2009 mit der gleichen Meinung die zweijährige Sperre gegen mich bestätigt, bin ich ganz offiziell als „Dopingsünderin“ gebrandmarkt. Vom Olymp in die Hölle – nur weil sich vom IOC gesteuerte Anwälte, die sich im CAS-Verfahren als Richter aufspielen dürfen, es für wahrscheinlicher halten, dass mein von der Norm abweichende Retiwert eher durch Doping als durch eine Blutanomalie verursacht worden ist.
Dass dieser Retiwert immer mal wieder von der Norm abweicht, auch nach meiner Sperre durch die ISU (und heute selbstverständlich auch noch), interessiert die „Richter“ nicht. Dass es Gutachter gibt, die darauf hinweisen, dass vieles für eine Blutanomalie als Ursache spricht, auch nicht. Im Gegenteil: Einige Gutachter, die diese Meinung vertreten, werden entweder vom „Gericht“ nicht zugelassen, oder von der ISU vor dem CAS-Verfahren vorsorglich ausgeladen. Es wird alles, wirklich alles getan, um das Urteil gegen mich durchwinken zu können. Denn die Herren Sportfunktionäre können sich es nicht erlauben, beim ersten Prozess der „indirekten Beweisführung“ kläglich zu scheitern. Im Sinne des Anti-Dopingkampfes, versteht sich. Schließlich kann ich ja (damals noch) nicht beweisen, dass tatsächlich eine Blutanomalie Ursache für meine Reti-Werte ist.
Diesen Beweis gibt es „erst“ seit August 2010, als der Münchner Hämatologe Prof. Stefan Eber und seine Ulmer Kollegin Prof. Elisabeth Kohne bei mir „eindeutig nachweisbare erythrozytäre Veränderungen“ diagnostizieren. „Der Nachweis identischer Veränderungen beim Vater ist ein Beweis für die Tatsache, dass es sich um vom Vater vererbte Defekte der roten Blutzellen handelt, die nicht durch äußere Einflüsse, auch nicht durch Dopingmittel hervorgerufen werden können“, so die Blutexperten weiter.
Was ich vom ersten Tag an gewusst habe, wird auch für alle anderen, die der Dopingthese von ISU und CAS Glauben schenken wollten, nach und nach immer offensichtlicher. So offensichtlich, dass auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) reagiert und eine fünfköpfige Expertenkommission aus Medizinern und Anti-Doping-Experten beauftragt, meinen Fall zu überprüfen. Fragestellung: Kann anhand meiner Blutwerte ein Dopingnachweis geführt werden? Das Ergebnis ist eindeutig und einstimmig. Nein, kann es nicht! Der damalige DOSB-Präsident Alfons Hörmann tritt daraufhin vor die Presse und rehabilitiert mich öffentlich. Er erklärt, dass mir großes Unrecht widerfahren ist und dass ich Opfer und nicht Täter bin.
Sein Statement im Video:
Video mit DOSB-Präsident Alfons Hörmann
Seit dem 29. Januar 2015 bin ich somit offiziell rehabilitiert. Juristisch warte ich allerdings immer noch auf Gerechtigkeit. Denn im Sportrecht gibt es keine Chance auf ein Wiederaufnahmeverfahren. Kann Unrecht größer sein?
Um vom Weltverband Schadensersatz und Schmerzensgeld für das Unrecht verlangen zu können, bin ich durch alle Instanzen gegangen. Und das Bundesverfassungsgericht hat mir mit seinem Urteil vom 3. Juni 2022 nun tatsächlich ermöglicht, vor einem deutschen Zivilgericht um mein Recht kämpfen zu dürfen. Eine sporthistorische Entscheidung für mich und alle meine Kollegen. Denn wer eine vom Verband vorgegebene Schiedsklausel unterschreibt, bleibt somit nicht mehr automatisch von deutschen Gerichten ausgesperrt.
Jetzt hat in meinem Fall das Oberlandesgericht in München wieder das Wort. Dort hatte der Vorsitzende Richter in der ersten Verhandlung im November 2014 gegenüber der ISU klar gemacht: Wenn eines Tages tatsächlich in der Sache verhandelt wird, dann müsse die ISU beweisen, dass es ein Dopingvergehen gegeben hat. Und nicht ich müsse beweisen, dass es keines gab. Eine solchen Beweis wird die ISU niemals erbringen können, weil ich niemals gedopt habe. Schon im Urteil des CAS findet sich kein einziges Wort darüber, wann, wie, wo oder womit ich gedopt haben soll. Gesperrt wurde ich trotzdem. Das ist und bleibt verrückt und riesengroßes Unrecht.
Es wird Zeit, dass der Weltverband dafür endlich zur Rechenschaft gezogen wird.